Lange Nacht der Demokratie in Vohenstrauß

„Kirche.Demokratie.Zukunft“ – mit einem vielfältig besetzten Podium glänzte die Hauptveranstaltung in Vohenstrauß zur Langen Nacht der Demokratie am 28. September 2024

Christina Ponader von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde und die fördernde Stelle vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ begrüßten am Samstagabend in der Aula der Realschule Vohenstrauß ein ökumenisch-gesellschaftspolitisches Podium: Käthe Pühl aus Neustadt/Kulm, Rainer Holl, ehem. Pfarrer in Vohenstrauß, Sebastian Sonntag und Siegfried Kratzer aus Amberg, Veit Wagner und Richard Wittmann aus Weiden, Ulrike Kießling aus Vohenstrauß. Susanne Götte moderierte als Öffentlichkeitsreferentin des evang.-luth. Dekanats Cham-SulzbachRosenberg-Weiden die hochkarätig besetzte Runde. Die Zahl der Gäste blieb leider unter 20 Personen, die jedoch hochengagiert Fragen und ihre Meinung einbrachten. „Kirche. Demokratie. Zukunft.“ – wo und wie treten die christlichen Kirchen für Demokratie ein, wie hängen Kirche, Gesellschaft und Politik zusammen? Diesen Fragen gingen die Teilnehmer gemeinsam nach und beleuchteten verschiedenste Facetten.

Käthe Pühl berichtete aus der Diskussionskultur in der Landessynode, dem evangelischen Entscheidungsgremium in Bayern: besonders ist für sie gleiche Gewichtung der Stimmen, unabhängig von Haupt- und Ehrenamt, und die Ausrichtung der wenngleich manchmal emotional-kontroversen Diskussionen letztendlich doch immer an der Sache und der Verantwortung dafür.

Pfr. i.R. Rainer Holl zog einen größeren Bogen durch die Kirchengeschichte: Demokratie komme aufgrund der zeitlichen Entstehung der Texte nicht in der Bibel vor, Würde und Gleichheit als Grundprinzipien hätten aber immer wieder dem „Weg von der Humanität, zur Nationalität, zur Bestialität“ widersprochen. Auch innerhalb der Kirchen tobte dennoch wiederholt der vergebliche Kampf um die Einheit – „wer gehört dazu?“ als wiederkehrende zentrale Frage. Die Weltkirche müsse letzten Endes mehr eine „vielfältige Bergwiese statt eines englischen Rasens“ werden.

Sebastian Sonntag als ehem. Vorsitzender der KEB sprach vom „Evangelium als Schatztruhe“: Ziel müsse es immer sein, Menschen Mut zu machen. Gebote und Verbote würden das jedoch oft verhindern. In Kirche und Gesellschaft müssten wir immer wieder lernen, vorsichtig mit Urteilen zu sein. Es brauche eine Gemeinschaft, Friedensarbeit und Bildungsimpulse von unten nach oben in die Funktions- und Politikebenen.

Veit Wagner, der sich seit 1972 für Amnesty International einsetzt, schilderte, wie er mit seiner Arbeit Menschen erreichen kann: Das Image einer Organisation sei wichtig, aber auch Schilderungen und Geschichten. Man müsse die Leute in ihrem Menschsein und ihrer Emotionalität ansprechen. Ziel sei es, sinnvoll etwas Gutes zu tun. Das könne Menschen verbinden.

Richard Wittmann berichtete als katholischer Betriebsseelsorger aus seinem Kontext: Demokratie erlebe er im katholischen – aber auch evangelischen Bereich – vor allem in Verbänden. Hier werden Kompetenzen erworben wie Widerspruch üben und Ambiguitätstoleranz. Er setze sich beruflich für das betriebliche Miteinander ein. Die Kirchen riefen regelmäßig auch zur Beteiligung an Betriebsratswahlen auf, zur Beteiligung an Prozessen und zum Austarieren der Interessen in den Unternehmen. Ein Lernfeld für Kirche sei noch die Umsetzung der Mitbestimmung in den kirchlichen Einrichtungen.

Siegfried Kratzer als ehem. Vorsitzender des EBW und Bonhoeffer-Kenner bezog sich auf Jesu Handeln: Demokratie dürfe niemals Selbstzweck sein, sondern müsse Gerechtigkeit und Frieden dienen. Seit 1848 hätten die Kirchen leider oftmals eher gegen Demokratie gehandelt, aus Angst, die Ordnung könnte bedroht werden. Kirche müsse heute vor allem ihre Formen und ihre Sprache ändern. So wie Schorlemmer müsse man sehr viel öfter Protestierenden Raum geben und sich für Benachteiligte engagieren.

Ulrike Kießling als Mitglied des Kirchenvorstands und Stadtrats beendete die Runde mit einem Statement, wie wichtig es sei Frauen Mut zu machen, Verantwortung zu übernehmen. Es gehe um ein Miteinander von Männern und Frauen. Viel zu oft gebe es ein Ungleichgewicht, sei es in der Medizin, in der Care-Arbeit, in der Politik oder in der Bildung.

Das Publikum diskutierte in drei Nachfragerunden engagiert mit über die Entscheidung nach dem eigenen Gewissen, die Grenze der Toleranz der Unterschiedlichkeiten in den Meinungen, die manchmal zu große Trägheit der Kirchen, die Notwendigkeit dass Kirchen viel mehr im Sozialraum agieren müssten und Plattformen und sichere Räume bieten, wie oft Menschen ihre Rechte über ihre Pflichten stellen, und ob nicht an vielen Stellen auch die Kraft für noch mehr Engagement fehlt.

Der Veranstaltungsort Realschule erwies sich als gut geeignet für die Diskussion und die anschließende Ausstellung aus dem Demokratie-Workshop des Evangelischen Frauenbundes am Vortag. Dank geht hier an den Landkreis und die Schulleitung für die Unterstützung, ebenso an den Evangelischen Frauenbund für das Catering, Seibicke Veranstaltungstechnik für Licht und Ton und alle Helfer:innen im Hintergrund.

Die Podiumsteilnehmer:innen am 28.09.

Was ist Demokratie für mich